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Transplantiert – und dann? ... es geht nicht nur um die transplantierte Niere!

Für viele Patienten ist nach einer Transplantation der Kreatininwert scheinbar entscheidend für das gesundheitliche Wohlbefinden. Bei anderen auftretenden gesundheitlichen Problemen kommt oft der Spruch "Aber Hauptsache die Niere ist okay!". Das eine Transplantation mehr bedeutet als einen guten Kreatininwert zu haben, erläuterte Dr. Wilfried Gwinner von der Nephrologischen Abteilung der Medizinischen Hochschule Hannover mit seinem Vortrag "Transplantiert – und dann? ... es geht nicht nur um die transplantierte Niere!"

Nach einer mehrjährigen Dialysephase, die heute bei durchschnittlich 7 Jahren Wartezeit üblich ist, ist eine Transplantation für viele Patienten erst mal wie ein Sprung ins kalte Wasser. Auch bei noch so viel Schulung und Vorbereitung haben die meisten Patienten nicht wirklich eine Vorstellung davon, was sie nach der Transplantation zu erwarten haben. Damit die Landung nach diesem Sprung möglichst sanft ist und nicht eine Bauchlandung wird, werden vor allem in den ersten Tagen und Wochen viele Blut-, Urin- und Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. So geht es zu Beginn dann auch vorwiegend um die transplantierte Niere. Abstoßungsreaktionen, Infektionen, Medikamentenschäden, Wundheilungsstörungen und Urinabflussstörungen sind Probleme, die mit der Transplantationen zusammenhängen und überwiegend auch gleich in den ersten Tagen auftreten.

Auf lange Sicht können dann aber auch andere Erkrankungen an anderen Organen auftreten, wie z. B. Herzerkrankungen. Auch auf diese Neben- und/oder Folgeerkrankungen muss ein besonderes Augenmerk gerichtet sein, denn nur so kann Lebensqualität erhalten bleiben und die Lebenserwartung erhöht werden. So ist das größte Problem nach Nierentransplantation, dass über 50 % der Transplantatverluste durch das Versterben des Transplantierten begründet sind. Und Todesursache sind sehr häufig Herz-/Kreislauferkrankungen. Diese Zahl ist durchaus vergleichbar mit der Gesamtbevölkerung. Somit sind Herz-/Kreislauferkrankungen insgesamt häufigste Todesursache und finden viel zu wenig Beachtung.

Alle Faktoren zu beachten, Probleme zu erkennen und zu behandeln, kann nicht Aufgabe eines Einzelnen sein. Dies ist eine Gemeinschaftsaufgabe, im Falle des Nierentransplantierten die Aufgabe von Patient, dem behandelndem Nephrologen oder Hausarzt vor Ort und den Ärzten im Transplantationszentrum.

Kardio-Vaskuläre Erkrankungen bedeuten grundsätzlich eine Einschränkung der Lebensqualität durch Herzschwäche / Herzschmerzen, Durchblutungsstörungen in den Beinen / müde Beine, Schlaganfall mit Lähmungen und in der Folge dann auch eine verminderte Lebenserwartung.

Meistens haben Dialysepatienten zum Zeitpunkt der Transplantation schon diverse Vorschädigungen des Herz-/Kreislaufsystems, verursacht durch Arterielle Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus, Nikotin, Calcium-Phosphat und die eingeschränkte Nierenfunktion. Andererseits verursachen kardiovaskuläre Vorschäden oft auch kardiovaskuläre Komplikationen nach einer Transplantation und haben wiederum einen negativen Einfluss auf die Transplantatniere.

Die Arterielle Hypertonie ist einerseits verantwortlich für Nierenschädigungen, andererseits wird sie bei nierentransplantierten Patienten aber oftmals auch durch die immunsuppressiven Medikamente verursacht. Grundsätzlich gilt heute, dass jeder Blutdruck über 130 / 90 zu hoch ist! Bei eingeschränkter Nierenfunktion – dies gilt oft auch für eine Transplantatniere – gelten noch niedrigere Werte. Somit ist also auch ein hoher Blutdruck unbedingt zu behandeln, zum Schutze der Niere und besonders auch zum Schutz des Herzens. Wie wichtig die Beachtung des Bluthochdrucks ist, zeigen verschiedene Untersuchungen, wonach einerseits 70 bis 85 % aller Nierentransplantierten Hypertoniker sind und andererseits sind Abstoßungen bei unbehandelten oder nicht gut behandelten Hochdruckpatienten wesentlich häufiger.

Ursachen für die Hypertonie bei Nierentransplantierten sind:

    1. Nierenbedingte Ursachen
      • die eigenen alten Nieren
      • die Transplantatniere
      • Immunsuppressiva
      Gegenmaßnahmen sind die Untersuchung der Nieren, 24 Stunden-Blutdruckmessung sowie die Anpassung von Blutdruckmedikamenten und Immunsuppressiva.
    2. Allgemeine Ursachen (wie in der Gesamtbevölkerung)
      • Übergewicht
      • zuviel Kochsalz
      • zu wenig Bewegung

Hier sind die Gegenmaßnahmen eine Ernährungsumstellung, mehr Bewegung, eigenständige Blutdruckmessungen und Protokollierungen sowie die Gabe bestimmter Medikamente.

Die Untersuchungen am Transplantationszentrum Hannover zeigen, dass bei den meisten Patienten mit diesen Maßnahmen der Zielblutdruck erreichbar ist Bei den Fettstoffwechselstörungen ist nach der Transplantation eine erhebliche Zunahme zu verzeichnen (Vor TX = 43 %, nach TX = 69 %).

Gründe hierfür sind:

  1. Erbliche Faktoren und Immunsuppressiva
    Die genauen Ursachen müssen untersucht werden, dann können ggf. die immunsuppressiven Medikamente umgestellt werden, bei Auftreten von Diabetes muss Insulin verabreicht werden.
  2. Fettreiche Ernährung und Übergewicht
    Eine Ernährungsberatung und –umstellung, mehr Bewegung sowie ggf. eigene Blutzuckerkontrollen und eigene Insulingaben sind möglich.
  3. Rauchen

Diabetes mellitus ist eine der häufigsten Ursachen für Nierenversagen, andererseits kann durch einige Medikamente nach Transplantation auch Diabetes ausgelöst werden, oftmals allerdings nur vorübergehend. Erbliche Faktoren und Immunsuppressiva können also verantwortlich sein für Diabetes mellitus. Genaue Untersuchungen und Umstellung der Immunsuppressiva können entgegenwirken. Insulingabe ist oft notwendig. Übergewicht und falsche Ernährung spielen auch bei der Diabetes eine große Rolle, so dass Ernährungsberatung und -wmstellung sowie ausreichend Bewegung notwendig sind ebenso wie Blutzuckerkontrollen und ggf. Insulingabe.

Damit die Regulation des Calcium-Phosphat-Haushaltes einwandfrei funktioniert, sind viele Faktoren von Bedeutung, u. a. funktionierende Nieren. Schon die eingeschränkte Nierenfunktion eines Prädialytikers führt zu Störungen des Calcium-Phosphat-Stoffwechsels. Folgen sind Schäden an den Knochen und Gefäßen.

Durch eine Transplantation sind diese Störungen nicht automatisch behoben, da zum einen Vorschäden bereits vorhanden sind und zum anderen eine Transplantatniere oft auch keine 100prozentige Funktion hat. Untersuchungen an 212 Patienten am Transplantationszentrum Hannover zeigten nach 6 Wochen bei 13 Patienten Kalkablagerungen in der Transplantatniere, nach 3 Monaten Ablagerungen bei 19 Patienten und nach 6 Monaten bei 38 Patienten. Parallel wurde ein Anstieg des Parathormon sowie des Serum-Calciums festgestellt. So ist die eingeschränkte Nierenfunktion Ursache für den Anstieg von Parathormon und Serum- Calcium, Parathormon und Calcium wiederum sind verantwortlich für die Verkalkung der Niere und eine weitere Transplantatverschlechterung – ein Teufelskreis. Die Gabe von Vitamin D ist also auch bei eingeschränkter Transplantatfunktion notwendig.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass schon vor einer Transplantation umfassende Untersuchungen der Risikofaktoren stattfinden sollten und auch schon vor einer Transplantation müssen vorliegende Störungen wie Hypertonie, Diabetes usw. behandelt werden. Wenn Risikofaktoren vor einer Transplantation bekannt sind, können im Falle einer Transplantation schon von vornherein individuell auf die Bedürfnisse dieses Patienten ausgerichtet die immunsuppressiven Medikamente eingesetzt werden.
Wichtig ist, wie schon beschrieben, ein gutes Teamworking. Eigenkontrollen und Protokollierung von Blutdruck und Zuckerwerten, die zuverlässige Einnahme von Medikamenten, eine gesunde Lebensführung (Ernährung und Bewegung, Nikotinverzicht), regelmäßige Kontrollen durch den örtlichen Arzt und das Transplantationszentrum sowie frühzeitiges Melden bei Problemen sind Aufgabe des Patienten. Das betreuende Ärzteteam ist verantwortlich für regelmäßige Blut- und Urinkontrollen sowie weitere diagnostische Untersuchungen und die Behandlung auftretender Komplikationen, für eine gute medizinische Beratung sowie für die Anpassung der Medikamente. Eine gute Zusammenarbeit, ein verantwortungsbewusster Umgang mit allen Krankheitsfaktoren sowie eine individualisierte Therapie führen zur besseren Lebensqualität für jeden Einzelnen.

Monika Centmayer