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Psychosoziale Aspekte der Nierenlebendspende

Seminar LeipzigFrau Dr. Seidel-Wiesel berichtete über die psychosozialen Aspekte von Organtransplantationen. Neben den rein medizinischen Problemen und deren Behandlung können, zum Teil durch die medikamentöse Therapie, zum Teil aber auch aufgrund des Umstandes der Organtransplantation, psychische Belastungen auftreten. Dabei ist auch aus psychosozialer Sicht zunächst zwischen der Lebendspende und der Verstorbenenspende zu unterscheiden.

Aus medizinischer Sicht sprechen für die Lebendspende die kurze Wartezeit, Planbarkeit der Operation, weniger Abstossungen und eine höhere Funktionsrate. Aus psychischer Sicht kann es ebenfalls ein Vorteil sein, dass sich Empfänger und Spender kennen. Es wird eine bewusste Entscheidung gemeinschaftlich gefällt.
Auf der Negativseite steht die (relativ geringe) Gefährdung des Spenders, die Problematik der wirtschaftlichen Abhängigkeit und die Möglichkeit einer schwierigen Beziehung zwischen Empfänger und Spender. Dies kann eine freie Entscheidung erschweren.

Voraussetzung zur Lebendspende ist die Freiwilligkeit der Spende. Deshalb wird von der Ethikkomission eine eventuelle wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen Empfänger und Spender geprüft. Nach der Operation kann es zu psychischen Belastungen kommen. Insbesondere wenn sich der Funktionsbeginn der der Niere hinauszögert, es postoperative Komplikationen auftreten und es beispielsweise durch die Immunsupressiva zu körperlichen Veränderungen kommt. Hinzu kommt bei der Lebendspende die Sorge um das gesundheitliche und seelische Wohlergehen des Partners. Die psychischen und körperlichen Probleme werden durch den Anpassungsvorgang an die neuen Gegebenheiten geprägt.

Stand bei der Nierentransplantation vor der Operation oft alles im Zeichen der Dialyse, müssen jetzt neue Vorschriften (genaue Medikamentengabe) beachtet und der Umgang mit evenuell auftretenden Nebenwirkungen erlernt werden. Die Sorge um die Abstossung des Organs oder der Organverlust können zu seelischen Belastungen führen. Mit der Transplantation wachsen bei wiedererreichter körperlicher Leistungsfähigkeit die Ansprüche an sich selbst oder an den Beruf. Bei einer Lebendspende kann ein neues Rollenverständis die Beziehung zwischen den Partnern belasten. Bewältigt werden können diese Probleme auf unterschiedliche Weise: durch Vorerfahrung, wenn es schon bewährte Bewältigungsstrategien gibt, durch die aktive Entwicklung neuer Lösungsstrategien, durch Ablenkung, durch Selbstermutigung und Ermutigung durch andere. Auch eine bewußte Beziehungsgestaltung hilft bei der Problemebewältigung. Eine vorübergehende depressive Phase oder zeitweise vermehrte Ängstlichkeit sind ebenfalls Möglichkeiten, die auftretenden Belastungen zu verarbeiten. Hier steht das Bedürfnis nach Rückzug und Ruhe, bzw. der Wunsch nach Sicherheit und besonders vorsichtigem Umgang mit den körperlichen Veränderungen im Vordergrund.

Die Erfahrungen zeigen, dass die Beziehung zwischen Spender und Empfänger sich in den meisten Fällen nicht verändert (ca. 50-60%) in 20-30 % der Fälle sogar verbessert. Nur etwa 1-2 % klagen über eine Beziehungsabkühlung. Vergleicht man den Beziehungszustand vor und nach der Operation, so ist festzustellen, dass schlechte Beziehungen sich eher verschlechtern und gute Beziehungen gut bleiben oder sich verbessern. Die Lebensqualität bleibt bei den allermeisten Patienten gut oder wird besser (ca. 90-98 %). Nur wenige bedauern die Entscheidung. Die allermeisten würden sich wieder so entscheiden.

Paul Dehli

Folien von Dr. Seidel-Wiesel zum Download